Hölle, Hölle, Hölle
Wer kommt 2015 in die Hölle? Hier stellen wir euch vor, welche Vorschläge auf die Shortlist gewählt worden sind. Die Preisverleihung findet am 28.3. in Hamburg statt.
Nominiert für den Hölle-Preis 2015 sind:
BADISCHE UND AARGAUER ZEITUNG
GRUNER + JAHR
TAZ
ZEIT ONLINE
Die Begründungen für die jeweilige Nominierung s.u.
Die Nominierten für den Himmel-Preis 2015 werden am 23.3. bekannt gegeben.
Die Preisverleihung, inkl. Fairness-Diskussion und #hihö15-Party findet am 28.3. im betahaus in Hamburg statt.
Hier können die Statuten für die Preisverleihung 2015 eingesehen werden. Zur Jury gehören die freie Journalistin Julia Friedrichs, die Medienwissenschaftler Volker Lilienthal und Michael Haller sowie Angelika Ohland und Gabriele Meister aus dem Freischreiber-Vorstand.
BADISCHE ZEITUNG UND AARGAUER ZEITUNG
Begründung:
Die Badische Zeitung in Freiburg unterhält mit der Schweizer Aargauer Zeitung auf lokaler Ebene und über die Grenzen hinweg eine Vereinbarung zum Austausch von Artikeln. Dieses Modell könnte attraktive Mehreinnahmen für freie Journalisten bedeuten. Leider dient es aber allein der Redaktion als Quelle für günstige Inhalte zu Lasten der freien Autoren: Texte und Fotos werden kostenlos an eine Regionalredaktion der Badischen Zeitung weitergegeben.
Das erfahren die Autoren jedoch erst auf Nachfrage. Dies ist nicht nur ein Verstoß gegen angemessene Honorierung, sondern auch gegen das Urheberrecht. Auf Bitte unsererseits an die Aargauer Zeitung, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen, antwortet Chefredaktor Christoph Dorer: „Besten Dank für Ihre Anfrage. Über Abmachungen mit freien Mitarbeitenden geben wir jedoch keine Auskunft – das ist eine Angelegenheit zwischen ihnen und uns. Mir ist nicht bekannt, dass es einen Konflikt gäbe. Falls doch, kann sich dieser Autor selbstverständlich melden.“
GRUNER + JAHR
Begründung:
Es ist neu, dass wir einen ganzen Verlag für den Hölle-Preis nominieren. Aber die redaktionellen Veränderungen wie auch die schlechte Zahlungsmoral des Konzerns gegenüber seinen Autoren geben Anlass dazu.
Das Konzept der Verlagsleiterin Julia Jäkel lautet: Schreibende Redakteure entlassen und künftig Texte an Freie vergeben. Die Rahmenbedingungen dafür Honorare bleiben aber hinreichend unklar und so zeigt sich, dass dieses Konzept nicht inhaltlich begründet ist, sondern vor allem eine Sparmaßnahme.
Wie wenig Wertschätzung Gruner tatsächlich seinen Freien entgegenbringt, kann man etwa bei der Zahlungsmoral des Verlages sehen. Schon seit Jahren zahlt der Verlag nur selten innerhalb der üblichen Zahlungsfristen, sondern oft erst nach Wochen. Manchmal kann sich das Begleichen der Rechnung auch über mehrere Monate hinziehen. Beim Verlag erhält man auf Nachfrage die Auskunft, die ausgelagerte Buchhaltung sei überfordert. Solche Auskünfte lassen Schlimmes ahnen für die künftige Zusammenarbeit mit dem House of Content.
Eine weiterer Grund für die Nominierung: Die in den AGB geregelte Weiterverwertung von Texten freier Autoren online wie auch innerhalb der Markenfamilie ohne angemessene Beteiligung. Das passt nicht zu einem Haus, das nach eigenen Angaben auf gute Autoren angewiesen ist.
TAZ
Begründung:
Zur Handball WM in Katar zeigte sich der Weltverband großzügig. Er lud 20 Journalisten zur Berichterstattung ein, darunter offenbar viele Freiberufler und Blogger. Er übernahm die Kosten für Flüge und Übernachtungen. In den Sportredaktionen des Landes war das ein recht offenes Geheimnis, wie uns Kollegen berichteten. Während der WM machte die taz diese Praxis öffentlich. Und bekannte, auch sie habe den Beitrag eines dieser bezahlten Korrespondenten gedruckt. Als ihr die Hintergründe bekannt wurden, habe sich die Sportredaktion sofort von dem freien Mitarbeiter getrennt.
Keine Frage, die Korrespondenten, die diese Einladung annahmen, haben eine Grenze überschritten. Und die taz hat solche Fälle in ihren Redaktionsstatuten geregelt. Aber es sind auch Redaktionen dafür verantwortlich, die keine Reisekosten und nur schlechte Honorare zahlen, jedoch Berichte aus dem fernen Katar trotzdem gerne annehmen. Die Redaktionen müssen Mitverantwortung für die Produktionsbedingungen übernehmen, unter denen ihre Stücke entstehen.
Auch der Redaktion muss klar gewesen sein: Mit den Honoraren der taz lässt sich kein längerer Aufenthalt in den Golfemiraten finanzieren. Die taz rechtfertigt schlechte Honorare gerne damit, dass sie eine Gegenöffentlichkeit zu den etablierten Medien darstellt. Aber so etwas wie „positive Ausbeutung“ gibt es nicht.
Der Fall zeigt: Ausbeutung wirkt sich mittelfristig auch auf die Qualität aus. Dieser Tatsache muss sich auch die taz stellen und bei Spesen und Honoraren umdenken. Zudem ist die Reaktion der Redaktion, von dem nach Aussagen der taz renommierten Kollegen künftig keine Texte mehr zu drucken, aus unserer Sicht eine Überreaktion, die wir nicht akzeptieren. Deshalb nominieren wir die taz für den Hölle-Preis 2015.
ZEIT ONLINE
Begründung:
Anfang 2014 beendete Jochen Wegner, der Chefredakteur von ZEIT Online, die Zusammenarbeit mit dem freien Russlandkorrespondenten Moritz Gathmann via Twitter. Zuvor hatte David Schraven seinen Kollegen auf dem gleichen Weg darauf aufmerksam gemacht, dass Gathmann auch für die vom russischen Staat finanzierte Beilage der Süddeutschen Zeitung „Russland heute“ gearbeitet hat. Dies verstoße gegen den Codex der Webseite, begründete Wegner seine Reaktion, gab aber gleichzeitig zu, dass dieser Codex bisher nicht öffentlich gewesen sei. Keine Frage: Gathmann hat mit der Mitarbeit bei „Russland heute“ selbst Anlass zu Spekulationen über seine Unabhängigkeit gegeben. Er hat das allerdings zugegeben und die Zusammenarbeit mit „Russland heute“ beendet.
Deshalb halten wir die Maßnahmen von ZEIT Online für weit überzogen. An Gathmanns Texten hatte auch Zeit Online nichts auszusetzen, nie würde man wegen so einer Sache einen Festangestellten feuern. Gathmann wurde nicht gehört und bekam keine Gelegenheit, sich zu der Angelegenheit zu äußern. Es ist vor allem die Art und Weise, wie dieses Ende der Zusammenarbeit verkündet wurde, die wir für Hölle-Preis-würdig halten: öffentlich über Twitter, so dass auf einmal die ganze Branche dabei zusehen konnte. Für einen Freien ist solch eine Verkündigung nicht nur demütigend, sondern grenzt an Rufschädigung: Der Betroffene musste damit rechnen, auch von anderen Auftraggebern gemieden zu werden, zumal nun auch noch breit getreten wurde, für wie wenig Geld er arbeitet. Wenn solche Fälle derart öffentlich verhandelt werden, beschädigt dies letztlich den Ruf aller freien Journalisten.