19. Januar 2010

Freie sind für uns lebensnotwendig“ – „P.M“-Chefredakteur Hans-Hermann Sprado im Interview

Gestern haben wir gezeigt, wie das „P.M.“-Magazin ohne Freie aussähe. Heute spricht Herausgeber und Chefredakteur Hans-Hermann Sprado über die Bedeutung der Freien. „Freie Journalisten sind für uns lebensnotwendig“, sagt er. Freischreiber: Was wäre das „P.M.“-Magazin ohne freie Journalisten? Sprado: Freie Journalisten sind für uns lebensnotwendig – und werden gerade in der aktuellen Medienkrise immer wichtiger. Ich kenne kein Blatt, bei dem Redakteursstellen von Leuten, die in den Ruhestand gehen, neu besetzt werden. Diese Arbeit wird von freien Autoren übernommen. Freischreiber: Was heißt das konkret für „P.M.“? Sprado: Bei unseren fünf Heften in der „P.M.“-Gruppe arbeiten wir nur noch mit sehr kleinen Redaktionen. Im „P.M.“-Magazin arbeiten gerade einmal drei Redakteure, die Hefte „P.M.- Biografie“ und „P.M.-Perspektive“ werden sogar komplett von freien Autoren betreut. Insgesamt werden mehr als die Hälfte der Texte in unseren Blättern von freien Journalisten geschrieben. Freischreiber: Sind freie Journalisten denn nur verhinderte Redakteure – oder journalistische Überzeugungstäter mit Unternehmergeist? Sprado: Da möchte ich mir kein Urteil anmaßen. Aber es gibt deutliche Qualitätsunterschiede – wie in den Redaktionen auch. Ich bekomme häufig schlechte Angebote von Autoren, die sich gar nicht mit dem Heft auseinandergesetzt haben. Da ist viel Unbedarftheit und wahrscheinlich auch Verzweiflung dabei. Gute Leute dagegen treffen Ton und Thema – je origineller und zielgerichteter, desto besser. Diese Autoren versuchen wir an unser Haus zu binden, wir kennen ihre Stärken und Schwächen und versorgen sie mit Aufträgen. Die Krise ist ja nicht nur eine Gefahr, sondern auch eine Chance für freie Journalisten: Denn die, die gut arbeiten, kriegen in Zukunft eine Menge zu tun. Freischreiber: Aber wird diese Arbeit noch angemessen entlohnt? Sprado: Natürlich sind die Honorare ein Problem, da haben auch wir Abstriche machen müssen. Früher war die Bezahlung sehr unterschiedlich und hing vom Autor ab. Unsere Top-Autoren haben damals zwischen 1800 und 2000 Euro für eine große Titelgeschichte bekommen. Heute liegt das Durchschnittshonorar bei 1500 Euro. Freischreiber: … das in vielen Verlagen erst gezahlt wird, wenn der Text auch im Heft steht. Sprado: Das finde ich falsch, schließlich sind die Autoren dann nur von der Willkür der Chefredakteure und dem Themen-Mix der einzelnen Hefte abhängig, auf den sie überhaupt keinen Einfluss haben. Wir bezahlen deshalb, sobald die Geschichte abgeliefert ist und vom Redakteur abgenommen wurde. Freischreiber: Hat der Autor bei „P.M.“ einen letzten Blick auf den Text, bevor er veröffentlicht wird? Sprado: Ja. Auf den redigierten Text guckt der Autor noch einmal drauf – das machen wir einerseits natürlich zum Selbstschutz, also um Fehler zu vermeiden. Andererseits finde ich aber auch, dass der Autor ein Recht hat zu wissen, in welcher Fassung sein Text erscheint. Freischreiber: Wem gehört das, was freie Journalisten schreiben? Sprado: Wenn ein Autor für uns arbeitet, dann müssen wir natürlich das Recht haben, seine Beiträge auch weiter nutzen zu können – zum Beispiel für unseren Internetauftritt. Sobald wir die Geschichten allerdings weiterverkaufen, wird der Autor an den Einnahmen beteiligt. Freischreiber: Viele freie Journalisten machen die Erfahrung, dass ihre Themenvorschläge lange unbeantwortet bleiben – und deshalb woanders nicht angeboten werden können. Sprado: Wir bearbeiten die Angebote freier Autoren in der Regel innerhalb von drei Tagen. Allerdings gehen bei uns die meisten Texte im Heft nicht auf externe Angebote zurück, in der Regel vergibt die Redaktion die Themen an die Autoren. Freischreiber: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen freier Journalisten und der Qualität der Texte? Sprado: In der „P.M.“-Gruppe habe ich bisher noch keinen Qualitätsverlust feststellen können. Ich glaube aber schon, dass es diesen Zusammenhang gibt. Ich kenne freie Kollegen, die mir sagen, sie können ihre Geschichten nur noch zu 80 oder 85 Prozent recherchieren, weil sonst der Tagessatz nicht mehr stimmt. Das ist ein Problem – aber da beißt sich die Katze natürlich auch in den Schwanz. Denn die Beziehung zwischen freien Journalisten und ihren Auftraggebern beruht ja auf Gegenseitigkeit. Die Verlage brauchen die freien Autoren – und umgekehrt. Und je mehr Publikationen wirtschaftlich gesund sind und sich am Markt halten können, desto mehr Arbeitsmöglichkeiten gibt es auch für freie Journalisten.


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