Ein klares „Nein“ zur Einflussnahme
Bei einem Pressetermin des Bistums Köln Anfang des Jahres sollten Journalist:innen Verschwiegenheitserklärungen unterzeichnen. Miese Pressearbeit, haben wir im Vorstand von Freischreiber, dem Berufsverband der freien Journalist:innen, damals gedacht. In einem Interview des Medienmagazins „Journalist“ (Ausgabe 10/21) mit dem Anwalt Carsten Brennecke erfahren wir nun, dass er Journalist:innen schon seit Jahren solche Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben, sich dann Zitate und verwendete Informationen zur Autorisierung vorlegen lässt. Das sei nicht unüblich, wird Brennecke (vermutlich autorisiert) zitiert.
Aus den Ausführungen lässt sich zudem schließen, dass all das nicht nur geschieht, um die Identität von Informant:innen zu schützen, sondern um Berichterstattung zu steuern, zu lenken und auch: um von Vorwürfen gegen eigene Mandant:innen abzulenken.
Uns im Vorstand von Freischreiber hat die Unverblümtheit, mit der ein Anwalt zugibt, Berichterstattung zu beeinflussen, schlicht fassungslos gemacht: Die Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Berichterstattung müssen in einer Demokratie für alle heilig sein.
- Wir fordern deshalb alle Kolleg:innen auf, es den Journalist:innen beim Pressetermin im Bistum Köln gleichzutun und solche „Deals“ strikt abzulehnen.
- Wir bitten unsere Auftraggeber:innen darum, sich vor uns zu stellen, damit wir deutlich „Nein“ sagen können. Wenn eine Geschichte dann stirbt, muss das in Ordnung sein!
- Wir brauchen keine Anwaltskanzleien, die für uns – im Auftrag derjenigen, über die wir berichten – entscheiden, was in einem Beitrag stehen darf und was nicht. Die meisten Journalist:innen sind exzellent ausgebildet; der Schutz von Informant:innen ist für uns eine Selbstverständlichkeit.
Verschwiegenheitserklärungen, Abmahnungen, Drohungen
Ja, wir Journalist:innen nerven. Das muss so sein. Meinungsvielfalt und informierte Entscheidungen leben von korrekten Informationen und ihrer unbeeinflussten Einordnung. So manch Politiker:in wäre ohne Journalist:innen nie groß geworden. So manches Unternehmen wäre ohne Berichterstattung nichts wert. Und ja, ohne „die Medien“ wäre auch die eine oder andere Karriere nicht zu einem abrupten Ende gekommen. Das ist nicht unsere Schuld. Wir Journalist:innen machen nur unsere Arbeit. Und die muss zwingend frei von direkter und indirekter Einflussnahme bleiben.
Das ist kein Einzelfall, der sich nur auf außergewöhnliche Enthüllungsgeschichten bezieht. Freischreiber ist ein Verband von fast 900 freien Journalist:innen. Die heutige Medienvielfalt lebt von den Möglichkeiten und Expertisen freier Journalist:innen. Doch viel zu viele unserer Mitglieder berichten uns, wie Unternehmen und Einzelpersonen selbst bei alltäglichen Geschichten versuchen, Inhalte zu steuern, mit Verschwiegenheitserklärungen, aber auch durch Abmahnungen oder Drohungen mit kostenintensiven rechtlichen Schritten. Wir hören, wie sich Redaktionen, Verlage und Sender raushalten. Und wir kennen den wirtschaftlichen Druck: Nur wer veröffentlicht, verdient. Das führt dazu, dass die eine oder der andere dann doch das Kleingedruckte unterschreibt und darauf hofft, dass es schon nicht so schlimm werden wird. Das darf nicht zur Normalität werden.
Denn tatsächlich bedrohen jedwede Methoden, die die Berichterstattung beeinflussen, die Pressefreiheit und damit auch die Demokratie. Wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass im Hintergrund jemand anderes als die/der Journalist:in die Feder führt, ist die Konsequenz der Vertrauensverlust in die Pressearbeit. Wenn nicht mehr die ganze Geschichte berichtet werden kann, gerät die öffentliche Meinungsbildung in eine Schieflage. Welche Konsequenzen ein solcher Vertrauensverlust in die freie Berichterstattung hat, beobachten wir nicht erst seit der Corona-Pandemie. Begriffe wie „Lügenpresse“ und „Staatsfunk“ sind nur eine Facette, Angriffe auf Journalist:innen eine weitaus dramatischere. Auch das darf nicht zur Normalität werden.
Dafür brauchen vor allem wir freien Journalist:innen den Rückhalt unserer Auftraggeber:innen, damit wir auch beim nächsten Mal voller Überzeugung und ohne Angst „Nein“ sagen können.
Freischreiber
[Hinweis: Wir haben den Link zum Interview ergänzt. (18.10.2021)]