4. September 2013

Das Post-Portal „Die Redaktion“: Eine sinnvolle Plattform für freie Journalisten oder bloße Text-Verramschung?

DieRedaktion“ heißt das Internetportal der Post AG, auf dem Verlage, Unternehmen und freie Autoren seit dem 3. März Texte anbieten oder erwerben können.;Anders als bei com.box oder Spredder versucht diesmal ein Großunternehmen in Kooperation mit einem Großverlag aus vollen Festplatten Geld zu machen. 10.000 Texte bietet der Axel-Springer-Verlag für den Anfang zum Verkauf an. Ziel ist es, bereits veröffentlichte Texte weiter zu verwerten.;Die Post AG plant, das Portal auf ein bis zwei Millionen Texte auszubauen. Zurzeit stehen etwa 12 000 Artikel online, 420 Journalisten haben sich registriert. Freie Journalisten können auf dem Portal für 72 Euro Grundgebühr pro Jahr (2011 ist noch gebührenfrei) Artikel anbieten. Kauft jemand ein Nutzungsrecht, gehen 30 Prozent der Honorar-Einnahmen an die Post. Erhält ein Journalist über das Portal einen Auftrag, sind 15 Prozent des Honorars fällig. Die Post AG übernimmt die Zahlung und rechnet später mit dem Käufer ab.;Freie Journalisten können zwischen verschiedenen Lizenztypen wählen: Sollen die Rechte beim Autor bleiben oder dürfen diese auf Dritte übertragen werden? Muss der Urheber bei Veröffentlichung genannt werden? Darf der Text vom Käufer verändert werden?;Ob das Modell wie geplant funktionieren wird, können wir nach so kurzer Zeit noch nicht beurteilen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat der Plattform sein Gütesiegel gegeben. In der Pressemitteilung der Portalbetreiber heißt es: „Axel Springer AG, IDG Communications Media AG und der Deutsche Journalisten-Verband unterstützen DieRedaktion.de“.;Wir Freischreiber haben jedoch noch einige Fragen und Einwände;Urheberrecht: Ungeprüft ist noch, ob die Verlage tatsächlich die Rechte an allen Texten, die sie dort anbieten, besitzen. Die Post AG hat bereits erklärt, dass sie sich für Urheberrechtsverletzungen nicht zuständig fühlt und die Verantwortung dafür den Verlagen überlässt.;Honorare: Die Honorare für die bislang angebotenen Texte liegen bei etwa 90 Euro für 450 Wörter. Die Preise sind auch nicht an die Auflagenhöhe des Mediums gebunden. Völlig unklar ist, ob auf dem Portal ein weiterer Dumpingmarkt entsteht (siehe die Entwicklung bei den Bildagenturen zu so genannten Microstocks). Das Portal wird sich wahrscheinlich nur über die Masse rechnen – sowohl für die Verlage als auch für freie Journalisten. Als Textabwurfstelle könnte das Portal dem Ansehen journalistischer Arbeit schaden.;Wer kauft die Texte? Regionale Tageszeitungen, die damit ihre Seiten „füllen“ (und dadurch die Vergütungsregeln für Tageszeitungsjournalisten unterlaufen)?;Das Portal begünstigt eine Vermischung von Journalismus und PR. Es bezeichnet sich als „B2B-Plattform für Journalisten, Verlage, Corporate Publishing-Dienstleister sowie Unternehmen und Verbände“. Weiter heißt es: „Ihr Unternehmen benötigt eine neue Broschüre oder qualitativ hochwertige Pressetexte? DieRedaktion bietet Ihnen Zugang zu professionellen Journalisten aus allen Fachrichtungen.“ Das Portal benutzt journalistische Begriffe, ohne sie ausfüllen zu können: „DieRedaktion“ hat mit einer Redaktion nicht das Geringste zu tun. Das Portal betreibt ausschließlich Online-Verwaltung und -vermarktung. Es verwendet den Begriff Qualitätsjournalismus ungeprüft für alle Texte. Und stellt ihn in eine Reihe mit „Premium Content“. Einige Mitglieder des Freischreiber-Vorstands haben sich in der Beta-Phase auf dem Portal registrieren lassen, um es besser kennenzulernen und in der praktischen Erprobung zu testen. Dies ist kein „Ja“ zu diesem Experiment. Wir möchten die freien Journalisten vielmehr auffordern, ihre Einschätzungen, aber auch ihre konkreten Erfahrungen mit dem neuen Portal in der Kommentarspalte zu beschreiben. Nachtrag: Thomas Hillenbrand vom Netzfundbuero hat eine interessante Beobachtung gemacht: „DieRedaktion“ wirbt für ihren „Online-Marktplatz für Qualitätsjournalismus“ mit einem PR-Berater. Nachtrag II: Einen ersten Testbericht von Daniel Drepper gibt es hier. Nachtrag III: Eine erste Einschätzung durch die DJV-Zeitschrift journalist.


Verwandte Artikel