14. Juni 2019

1. Freischreiber-Honorarreport: Sagen, was ist – viele freie Journalist*innen verdienen mies

Hamburg, 14.06.2019: Freischreiber sammelt seit Oktober 2018 via www.wasjournalistenverdienen.de anonym Honorare und Gehälter von Journalist*innen. Die erste Auswertung der Daten ergab, was jeder weiß und keiner sagt: Freie*r Journalist*in zu sein muss man sich in Deutschland leisten können. Im Mittel sind pro Stunde nicht mehr als 22,50 Euro[1] drin – ohne Abzug von Steuern, Arbeitsmitteln und Urlaubs- sowie Krankheitstagen.

Über Geld zu sprechen ist für freie Journalist*innen existenzentscheidend. Deshalb haben wir das Honorartool entwickelt, in dem freie Kolleg*innen und Festangestellte ihre Honorare und Gehälter eintragen können – anonym, aber für alle einsehbar. Das Projekt ist eine Kooperation des Freischreiber-Verbands und der zwei Journalisten und Programmierer Haluka Maier-Borst, Wissenschafts- und Daten-Journalist im Storytelling-Team der Neuen Zürcher Zeitung, und Michel Penke, ebenfalls Daten-Journalist und Redaktionsmitglied von Correctiv.de.

Als Verband der freien Journalist*innen wollen wir genau jetzt über Geld sprechen, auch wenn die 1.443 Datenspenden zu rund 580 Medien keine repräsentativen Aussagen rechtfertigen. Wir können nicht sagen: Hier wird immer anständig gezahlt und da nie. Dazu brauchen wir noch mehr Datenspenden. Aber es stecken ein paar aufschlussreiche Informationen in diesen frühen Daten, die wir euch nicht vorenthalten wollen.

1. FREISCHREIBER-HONORARREPORT HIER LESEN

Die wichtigsten Erkenntnisse:

Einkommensverteilung: Die Einkommen von Pauschalist*innen sind ungleicher verteilt als die der Festangestellten. Die Honorare der Freien streuen noch stärker.

Arbeitserfahrung: Wer länger im Journalismus arbeitet, erzielt bessere Honorare oder Gehälter. Vor allem die freien Journalist*innen.

Zufriedenheit: Bislang gibt es keinen statistischen Zusammenhang zwischen Arbeitserfahrung und Zufriedenheit. Den verbitterten Content-Schubser haben wir in den Daten nicht gefunden.

Streuung: Guter Journalismus sollte überall ähnlich viel wert sein. Ist er aber nicht. Und es ist vielerorts ziemlich düster.

Stundenhonorar: liegt im Mittel bei 22,50 Euro brutto. Davon abzuziehen: Steuern und Arbeitsmittel.

Bezahlung nach Umfang: Das gemittelte Zeichenhonorar aller Medien, die ins Honorartool eingegeben wurden, liegt derzeit bei 40 Euro pro 1000 Zeichen.

Wir Freischreiber sind ja in der Regel ausdauernde Optimist*innen. Was mies ist, werden wir zum Guten verändern, zumindest versuchen wir das hartnäckig. Aber es gibt Grenzen, darunter wird es unappetitlich. Ein Honorar von 40 Euro pro 1000 Zeichen und weit darunter, ein Brutto-Stundensatz von 22,50 Euro – das ist widerwärtig. Davon sollten Journalist*innen nicht leben müssen. Und es auch gar nicht erst versuchen.

Unsere Standpunkte dazu:

Freie Journalist*innen: Hört auf, für Medien zu arbeiten, die euch unterirdisch bezahlen, verhandelt – immer! – und akzeptiert nicht die unverschämten Verträge, die euch die Auftraggeber zur Unterschrift zusenden. Wir alle müssen uns bei denen bedanken, die das bereits so machen. Es sind aber immer noch viel zu wenige.

Auftraggeber*innen: Ihr wollt Qualität, die eierlegende Wollmilchsau als Reporter*in, handfeste Dokumentationen unserer Arbeitsweise, alle Rechte an unseren Werken – dann zahlt anständige Honorare. An all die, die das jetzt schon tun, an dieser Stelle ein ganz großer Dank.

Politiker*innen: Schafft endlich Rahmenbedingungen, die uns freie Journalist*innen davor schützen, ausgenommen zu werden: setzt ein Verbot von Total-Buy-out-Verträgen um, verhindert, dass wir die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort wieder mit den Verlegern teilen müssen, sorgt dafür, dass wir gemeinsam gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen können. Und lasst euch nicht immer wieder von der Verleger-Lobby einlullen!

„Viele Freie verlassen den Journalismus, weil sie es sich nicht leisten können oder wollen, permanent für etwas zu kämpfen, das eigentlich selbstverständlich sein sollte: faire Verträge und faire Honorare“, sagt Dr. Carola Dorner, Vorsitzende Freischreiber e. V.

Den Report hier lesen, weitere Hintergründe zum Honorartool finden sich hier, zu unserem Code of Fairness hier.

Über Freischreiber:
Freischreiber wurde 2008 von freien Journalist*innen gegründet. Heute hat der Verband rund 800 Mitglieder. Zu den Service-Leistungen gehören eine Steuer-, Versicherungs- und Rechtsberatung, ein Crashkurs für „Neuschreiber“, ein Tandem-Programm sowie regelmäßige Workshops und Veranstaltungen in den einzelnen Regionalgruppen.

Dem Vorstand gehören an: Dr. Carola Dorner (Berlin), Katharina Jakob (Hamburg), Jens Eber (Heidenheim), Frank Keil (Hamburg), Gabriele Meister (Mainz), Dr. Jakob Vicari (Lüneburg), Andreas Unger (München), Katharina Dockhorn (Berlin) und Steve Przybilla (Freiburg).

[1] Gleitender Median: Wir haben nicht den Durchschnitt unserer Daten errechnet, sondern das mittlere Honorar pro Stunde, den sogenannten gleitenden Median. Der Unterschied besteht darin, dass wir nur die mittigsten Werte berücksichtigt haben, große Ausreißer nach oben und unten fielen so aus der Berechnung heraus. Bei der Durchschnittsberechnung zählen hingegen alle Werte, was zu größeren Verzerrungen führen kann.

Diese Pressemitteilung als PDF

Freischreiber e. V.
Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten
Kontakt: Heidi Schmidt und Yvonne Pöppelbaum,
Telefon: 040 / 22 86 71 52, kontakt-ät-freischreiber.de

 


Verwandte Artikel