vom 31T08:16:37+00:00.01.2020
31. Januar 2020
Stellungnahme von Freischreiber e. V., dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, zum Entwurf eines ersten Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts.
Liebe Freischreiber und Freischreiberinnen,
liebe Kollegen und Kolleginnen,
liebe UrheberrechtsfreundInnen,
das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat vor zwei Wochen einen ersten Gesetzentwurf für die Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform veröffentlicht. Artikel 17 (Uploadfilter) wird darin ausgespart, für die Artikel 15 (Leistungsschutzrecht an Presseveröffentlichungen) und 16 (Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen) wird dagegen besondere Dringlichkeit angemahnt.
Wir fordern für die Urheberinnen und Urheber:
- keine (voreilige) Umsetzung der Artikel 15 und 16 der EU-Richtlinie 2019/790 (DSM-RL)
- keine Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort
- wenn eine Verlagsbeteiligung eingeführt wird, dann ohne pauschale Verankerung der Zustimmung durch die Urheber*innen in Verlagsverträgen
Wir bedanken uns beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz für die Möglichkeit, Stellung nehmen zu können. Denn es sind nicht die Gewerkschaften, die die Interessen von uns freien Journalist*innen vertreten. Und es sind auch nicht die Verlage, die für akzeptable Arbeitsbedingungen sorgen – im Gegenteil.
Unser Berufsstand steht unter einem extremen finanziellen Druck: Viele freie Kolleginnen und Kollegen arbeiten für ein Honorar noch unterhalb des Mindestlohns. Ende 2019 mussten rund 5500 freie Journalist*innen ihr Einkommen durch ALG-II-Leistungen aufstocken (Angaben der Agentur für Arbeit und neun von 104 Optionskommunen auf unsere Anfrage). Dies führt inzwischen zu einem Brain Drain innerhalb der Medienlandschaft, da immer mehr Freischaffende den Journalismus aufgeben (Freischreiber-Honorarreport 2019; Dissertation von Thomas Schnedler: Prekäre Arbeit im Journalismus, Hamburg 2017).
Dabei sind deutsche Medien auf erfahrene Freie angewiesen. Sie sind es, die die Inhalte von Tageszeitungen, Rundfunk und Magazinen erstellen. Die lang anhaltende Medienkrise hat Redaktionen und Sender übermäßig ausgedünnt. In der Realität liefern Freie die Beiträge, Redaktionen nehmen sie ab.
1. Keine (voreilige) Umsetzung der Artikel 15 und 16 der EU-Richtlinie 2019/790 (DSM-RL)
Die Bundesregierung will den Qualitätsjournalismus in Deutschland fördern und erhalten. Allerdings geht es im Entwurf nicht etwa um die Punkte, die zu einer Verbesserung für Journalist*innen und andere Urheber*innen führen würden. Vorgezogen wird, was den Unternehmen nutzt – Verlagsbeteiligung und Leistungsschutzrecht. Wer den Qualitätsjournalismus fördern und erhalten will, muss aber vielmehr dafür sorgen, dass freie Journalist*innen leistungs- und aufwandsgerecht bezahlt werden – und zwar für alle Nutzungen ihrer Beiträge. Denn die Verlage nutzen ihre privilegierte Stellung vielfach aus und lassen sich etwa durch Total-Buy-out-Verträge umfassende Nutzungsrechte für Beiträge einräumen, für die sie dann oft Honorare bezahlen, die gemessen am Umfang von Aufwand und Nutzung zu niedrig sind.
Im Artikel 16 der EU-Richtlinie heißt es, dass die Mitgliedsstaaten die Verlagsbeteiligung einführen KÖNNEN (vgl. https://eur-lex.europa.eu). Somit gäbe es, anders als in dem vorliegenden Entwurf angekündigt, durchaus eine Alternative: Der deutsche Gesetzgeber führt eine gesetzlich verankerte Verlegerbeteiligung nicht ein. Die Politik sollte stattdessen vielmehr die Urheber*innen stärken, damit sie sich künftig wirksamer gegen unangemessen niedrige Honorare und unfaire Verträge zur Wehr setzen können. Damit wäre der Qualität des Journalismus in Deutschland viel mehr gedient.
Eine vorgezogene Umsetzung von Artikel 15 ist angesichts der Erfahrungen mit dem ehemaligen deutschen Leistungsschutzrecht für Presseverlage in §87f-h UrhG, welches vom EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache C- 299/17 für nicht anwendbar erklärt wurde, nicht angezeigt. Denn selbst vor dem Urteil hat das Leistungsschutzrecht zu keinerlei Mehreinnahmen seitens der Presseverlage geführt (vgl. dazu Jahresbericht VG Media). Es ist nicht zu erwarten, dass eine Einführung auf europäischer Ebene an diesem Ergebnis etwas ändern würde. Vielmehr ist die wahrscheinliche Folge, dass die Verpflichteten, insbesondere Suchmaschinen, ihre Dienste so gestalten, dass eine Zahlungspflicht umgangen wird. Den Preis werden die Nutzer*innen zahlen, für die Verlagsinhalte weniger leicht auffindbar sein werden. Den Preis werden aber auch Verlage zahlen, da weniger Nutzer*innen auch weniger Werbeeinnahmen bedeuten.
2. Keine Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort
Eine Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort lehnen wir ab. Verlage sind keine Urheber; sie tun nichts von dem, was ein*e Urheber*in tut. Eine Beteiligung kann einem Verlag nur dann zustehen, wenn der oder die Urheber*in dieser zustimmt. Eine solche Zustimmungslösung wurde in den vergangenen Jahren bereits praktiziert, mit eindeutigem Ergebnis: Nur wenige Journalist*innen stimmten der Verlagsbeteiligung zu. Nun sieht der Entwurf zwar vor, dass die Urheber*innen auch weiterhin der Beteiligung zustimmen müssen. Doch gleichzeitig soll es Verlagen ermöglicht werden, sich die Zustimmung vertraglich zusichern lassen zu können. Dagegen kann sich ein*e Urheber*in nur mühsam und aus finanziellen Gründen meist gar nicht wehren.
Aufgrund der teilweise extrem niedrigen Honorare sind freie Journalistinnen und Journalisten auf die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft Wort angewiesen (Freischreiber-Honorarreport 2019, Dissertation von Thomas Schnedler: Prekäre Arbeit im Journalismus, Hamburg 2017).
3. Wenn eine Verlagsbeteiligung eingeführt wird, dann ohne pauschale Verankerung der Zustimmung in Verlagsverträgen
Sollte eine Verlagsbeteiligung trotz unserer Gegenargumente eingeführt werden, begrüßen wir eine gesetzliche Quote, die den Urheber*innen mindestens 75 Prozent der Ausschüttungen belässt. Die Möglichkeit einer pauschalen Verankerung der Zustimmung des Urhebers oder der Urheberin in Verlagsverträgen lehnen wir aber aus bereits genannten Gründen ab (Machtgefälle zugunsten der Verlage). Wir schlagen stattdessen eine anonyme und nachträgliche Regelung der Zustimmung der Urheber*innen zur Verlagsbeteiligung vor.
Machen Sie sich stark für Qualitätsjournalismus, aber richtig!
Was wir freien Journalist*innen brauchen, ist keine verordnete Verlagsbeteiligung und auch kein Leistungsschutzrecht. Wir brauchen angemessene Honorare, faire Vertragsbedingungen und ein Urheber*innenrecht, das unsere Verhandlungsposition nicht schwächt, sondern stärkt. Deshalb sollte auch zunächst das Urheber*innen-Vertragsrecht verhandelt werden, damit Urheber*innen die Möglichkeit erhalten, sich effektiv gegen ungerechte Verträge zu wehren. Der Qualitätsjournalismus ist demokratierelevant. Er kann nur geschützt, gefördert und erhalten werden, wenn journalistische Urheber*innen gut bezahlt und fair beteiligt werden.
Freischreiber e. V.
Hoheluftchaussee 53a
20253 Hamburg
040 22 86 71 52
kontakt@freischreiber.de
www.freischreiber.de
Hier finden Sie diese Stellungnahme als PDF.
ps / Korrektur
Am Mittwoch waren wir mit der rosaroten Brille unterwegs und beschrieben in unserem Newsletter Dinge, die schön wären, aber leider (noch) nicht den Tatsachen entsprechen. Deshalb ein neuer Anlauf:
WICHTIG: Bis spätestens zum 31.01. müssen bei der VG Wort die Meldungen für folgende Bereiche eingegangen sein: Presse, Wissenschaft, Hörfunk, TV, Sprachtonträger sowie für Metis (Sonderausschüttung). Wer die Frist versäumt, muss in den Bereichen Presse, Wissenschaft, Hörfunk, TV und Sprachtonträger bis zum folgenden Jahr warten, verliert aber den Anspruch auf die Ausschüttungen nicht. Im Bereich Metis (Sonderausschüttung) ist allerdings eine Nachmeldung nicht möglich.
Und übrigens: Für Metis (reguläre Ausschüttung) gelten andere Fristen: Bis spätestens zum 31.05. müssen die Verlage ihre Meldungen abgegeben haben; die Autor*innen müssen diese Verlagsmeldungen bis spätestens zum 30.06. bestätigt haben. Wer’s verpasst, wartet ebenfalls bis zum nächsten Jahr auf sein Geld.
Tja und dann müssen wir leider auch dies korrigeren:
„Aber zurück zur Beteiligung der Verleger an den Vergütungen durch die Verwertungsgesellschaften: „Dem Entwurf des Justizministeriums zufolge stünden Urhebern künftig mindestens zwei Drittel der Vergütungsansprüche zu, die Verlage würden dann höchstens ein Drittel bekommen. Letzteres allerdings nicht automatisch: Die Urheberinnen und Urheber müssten ihnen offenbar erst einmal Rechte einräumen. So ist es auch bislang geregelt“, wie es Lisa Hegemann für die „Zeit“ formuliert.“
Obacht: So ist es bislang gerade nicht geregelt, und wird auch in Zukunft nicht so sein. Bislang können sich Verlage die Zustimmung des Urhebers oder der Urheberin an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen, also den Ausschüttungen der VG Wort in diesem Fall, nicht vertraglich zusichern lassen. Stattdessen können die Urheber*innen nach der Veröffentlichung einer Beteiligung an den Ausschüttungen zustimmen, und das auch nur gegenüber der Verwertungsgesellschaft – sie müssen es aber nicht tun. Würde der Entwurf tatsächlich zum Gesetz, müssten die Urheber*innen vor Veröffentlichung mit dem Verlag über einen vertraglichen Ausschluss der Verlagsbeteiligung verhandeln, denn in der geplanten Neufassung des § 63a UrhG heißt es:
Hat ein Urheber einem Verleger ein Recht an einem Werk eingeräumt, so ist der Verleger an der angemessenen Vergütung, die der Urheber für die gesetzlich erlaubte Nutzung des Werks in Bezug auf das eingeräumte Recht erhält, angemessen zu beteiligen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Parteien bei der Einräumung des Rechts die Beteiligung des Verlegers an der Vergütung ausgeschlossen haben. Der Anspruch aus Satz 1 kann nur von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden, die Rechte von Urhebern und Verlegern gemeinsam wahrnimmt.
Schafft es der Urheber, die Urheber*in nicht, den Verlag zu einem Ausschluss der Verlagsbeteiligung zu bewegen, oder wird einfach nicht drüber gesprochen, erhielte der Urheber oder die Urheberin dem Gesetzesentwurf zufolge mindestens zwei Drittel der Ausschüttung, wobei die tatsächliche Quote von der Verwertungsgsellschaft festgelegt werden würde, bis zur Maximalquote von einem Drittel zu Gunsten der Verlage. Geregelt werden soll das in einer Neufassung des § 27 Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG):
Ist der Verleger nach § 63a Absatz 2 Satz 1 des Urheberrechtsgesetzes oder nach § 27a an der angemessenen Vergütung zu beteiligen, so stehen die Einnahmen aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen mindestens zu zwei Dritteln dem Urheber zu.
Und dann war da noch das:
„Interessant ist in diesem Zusammenhang die aktuelle Haltung des Börsenvereins, der sozusagen die Verlage und deren Interessen vertritt: „Die nachträgliche Zustimmung des Urhebers zur Verlegerbeteiligung (Paragraf 27a VGG) soll erhalten bleiben.“ So also, wie es derzeit gehandhabt wird: Ist man einverstanden, dass man „seinem“ Verlag etwas abgibt, dann kann man das im Moment seiner Anmeldung bei der VG Wort tun, muss es aber nicht. Es gibt also keinen Automatismus – genau das ist im Sinne der Urheberinnen und Urheber. Wen der Paragraf VGG 27a im Wortlaut interessiert, hier kann man schauen.“
Nach etwas genauerer Besichtigung stellen wir fest: Ja, Der Börsenverein befürwortet, dass §27a VGG erhalten bleibt. Aber Der Gesetzesentwurf sieht ohnehin vor, dass der § 27a VGG erhalten bleibt, was bedeutet, dass Urheber*innen auch nach der Veröffentlichung gegenüber der Verwertungsgesellschaft einer Verlagsbeteiligung zustimmen können. An den drohenden Nachteilen für uns Urheber*innen ändert sich dadurch nichts: Nur wer das Verhandlungeschick, den Vorteil einer wohlwollenden Vertragspartner*in oder einen Knüller / Bestseller im Angebot hat, würde um die Verlagsbeteiligung drumrum kommen.
Was wir davon halten: siehe Stellungnahme oben.
Ihre
Freischreiber und Freischreiberinnen
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