vom 10T21:01:06+00:00.09.2019

10. September 2019

Wir UrheberInnen fordern: Keine pauschale Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort

Liebe Freischreiber*innen, liebe Kolleg*innen aller Arten,
 
resigniert mit den Achseln zucken? Klein beigeben? Zynisch werden oder den Beruf wechseln angesichts der kommenden oder besser drohenden Urheberrechtsreform der EU? Kommt jeweils nicht infrage. Im Gegenteil. Und so hat Freischreiber sehr gerne die Einladung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz angenommen, eine Stellungnahme zur Umsetzung der EU-Richtlinien im Urheberrecht abzugeben.
Denn: „Unser Berufsstand steht unter einem extremen finanziellen Druck: Viele freie Kolleginnen und Kollegen arbeiten für ein Honorar noch unterhalb des Mindestlohns. Dies führt inzwischen zu einem Braindrain innerhalb der Medienlandschaft, da immer mehr Freischaffende den Journalismus aufgeben. Dabei sind deutsche Medien auf erfahrene Freie angewiesen.“ Daher lauten unsere Forderungen, die wir in unserer Stellungnahme formulieren: „Keine pauschale Beteiligung der Verlage an den Ausschüttungen der VG Wort.“ Und: „Beteiligung der Urheber an den Einnahmen des Leistungsschutzrechts.“ Sowie außerdem: „Keine Beeinträchtigung unserer Arbeit durch Upload-Filter.“ Wie genau wir dies im Detail jeweils begründen und ableiten, kann auf unserer Homepage nachgelesen und auch als PDF heruntergeladen werden.
 
Aufruf
Noch ist nicht der 9. November, wo wir wieder den Himmel- und Höllepreis vergeben – diesmal in Hamburg im Rahmen eines Freischreiber-Betriebsausfluges. Und dafür werden zunächst Kandidaten gesucht. Ist Ihnen jemand aufgefallen – im Guten wie im Schlechten? Gibt es Verlage, Sender und Redaktionen, wo Sie in punkto Bezahlung, Umgang und Verbindlichkeit sagen: „Cool! Das lobe ich mir!“ Oder welche, wo Sie ebenso entschlossen sagen: „Das geht gar nicht mehr … Ende der Fahnenstange!“ Dann lassen Sie uns daran teilhaben. Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen, und melden Sie uns Ihre Anwärter für den Himmel- und Höllepreis 2019 unter kontakt-at-freischreiber.de!

Dies & das
 
Wo wir eben beim Bezahlen, also beim Verdienen waren: Kristin Hermann, die in Berlin seit einem Jahr als freie Journalistin arbeitet, hat neulich einen Auftrag abgelehnt. Und das kam so: „Eine namhafte Zeitung wollte für die sogenannte Zweitverwertung einer Reportage (das Stück war zuvor bereits in einem anderen Medium erschienen) gerade einmal 50 Euro bezahlen. Das ist nicht viel, aber manch einer denkt sich bestimmt: Mach es trotzdem, schließlich hast du keine Arbeit damit, die Geschichte gibt es ja schon. Doch so war es nicht. Ich sollte die Geschichte noch einmal ergänzen.“ Und sie rät in ihrer Kolumne über das Selbstständigsein: Verhandeln üben, Reserven anlegen und sich vor allem nie unter Wert verkaufen. Wir Freischreiber tauchen übrigens auch auf: Sie hat beim Honorar-Tool von Freischreiber nachgeschaut, welche Sätze gezahlt werden.

Apropos Geld und die Lage der Verlage und überhaupt all die Probleme in der publizistischen Welt: Thomas Knüver kann einen Satz nicht mehr hören, den er immer wieder hören muss: „Wie sollen wir denn Geld verdienen?“ Und zwar aus folgendem Grund: „Ich halte diese Frage deshalb auch für grundlegend falsch, weil sie Journalismus und Medien auf eine Finanzstrom-Betrachtung reduziert. Wir erleben einen disruptiven Medienwandel, bei dem das Aus von Tageszeitungen eine der Folgen ist. Deshalb wäre es sinnvoller, die Sicht des Marketings in den Mittelpunkt zu stellen, um Verlage so aufzustellen, dass sie eine Zukunft haben. Von dieser Seite aus betrachtet, wäre die richtige Frage: Was wollen unsere Kunden – und unsere Nicht-Kunden – eigentlich?“
Knüver hat sich hingesetzt und die Verlagslage analysiert, und er bietet einen wirklich fulminanten Rundumschlag, der nichts auslässt: ob es um Bezahlschranken geht, um Mythen wie „Früher haben die Leute doch auch für Journalismus bezahlt“ und „Das Internet ist schuld am Auflagenverfall“. Dabei hat er jede Menge Vorschläge in Richtung einer radikalen Kundenorientierung, dem Denken in Marken statt in Produkten bis hin zu einer Individualisierung des Angebots. Ja, es ist ein sehr, sehr, sehr langes, lesenswertes Stück, weil – es ist ja auch nicht einfach. Oder wie Knüver am Schluss erzählt: „Der Chefredakteur eines Medienfachorgans sagte mir schon mehrfach: ,Sie glauben immer, das sei alles so leicht.‘ Nö. Glaube ich nicht. Diesen Wandel zu schaffen ist sauschwer, sauhart und führt die Verlage an die Grenzen dessen, was eine Organisation aushalten kann – eine ganze Reihe von ihnen wird daran zerbrechen. Und schnell mal eben ist all dies auch nicht bewältigt – es wird Jahre dauern.“
 
Verwandtes
 
Freischreiberin Pauline Tillmann ist bekanntlich Chefredakteurin vom Netzwerk „Deine Korrespondentin“. Das hat just drei Plätze frei – für Korrespondentinnen, die eben Teil dieses weltumspannenden Netzwerkes werden sollen. Bewerbungen bitte an Pauline schicken.
 
Immer wieder besuchenswert – die Galerie unseres befreundeten Verbandes freier Fotografinnen und Fotografen Freelens mit Sitz im Neustadtviertel in Hamburg. Aktuell zu sehen ist die Ausstellung „Eine Reise durch Deutschland – die Mordserie des NSU“ von Paula Markert.

Wo wir gerade bei Freelens sind: Freischreiber und Freelens organisieren gemeinsam ein Speeddating in Hamburg. Am 18.9. treffen 15 Freischreiber auf 15 Freelenser, stellen sich gegenseitig Ideen und Projekte vor – und finden am Ende des Abends vielleicht genau den Kollegen, der die geplante Geschichte perfekt fotografieren wird oder genau die Kollegin, die die richtigen Worte für die nächste Bilderserie findet. Wer mitmachen möchte, melde sich noch schnell an.


Mitmachen und Ärmel hochkrempeln: Jetzt :Freischreiberin (oder :Fördermitglied) werden! 


 


Auch die Schweiz hat jetzt ein Reporter-Forum, das sich am Reporter Forum in Hamburg orientiert: „Wir setzen uns ein für unerhörte Geschichten, brillante Essays und geistreiche Interviews. Reporter, so glauben wir, sollen ihre Ohren an den Puls der Gesellschaft halten und von dort berichten. Von ihrer Mitte und ihren Rändern. Sie sollen jene Geschichten erzählen, über die man nachdenkt, streitet, lacht. Sie sollen Vorurteile infrage stellen und alte Regeln neu verhandeln. Wir glauben daran, dass exzellenter Journalismus in den komplexen Realitäten der Zukunft wieder an Wert gewinnen wird – wenn wir sauber recherchieren, klug gewichten und kunstvoll erzählen. Egal ob gedruckt, digital, in Bild oder Ton. Das Reporter-Forum Schweiz versteht sich als Zukunftslabor und Raum der kritischen Reflexion.“
 
Seminare & Kurse & Treffen
Freischreiber Henry Steinhau bietet am 25. September in Berlin Einzelberatung zu grundsätzlichen und speziellen Fragen bezüglich der VG Wort an: „In den Beratungen im Rahmen des Förderprojekts ,Schreiben & leben‘ des Lettrétage e.V. kläre ich generell über die Funktion der und die Teilnahmemöglichkeiten an der VG Wort auf und beantworte konkrete Fragen zu Teilhabe- und Mitbestimmungsmöglichkeiten.“ Die Beratung dauert 45 Minuten, sie ist kostenlos – und auf dieser Seite kann man sich anmelden.
 
Neu formiert hat sich die Reportageschule in Reutlingen: „Vielleicht hast du Physik studiert, bei einer Lokalzeitung volontiert oder länger bei einer NGO gearbeitet. Vielleicht hast du gerade erst Abitur gemacht oder arbeitest schon seit einigen Jahren als Möbelverkäufer. Das ist alles prima. Es gibt keinerlei formale Voraussetzungen, um sich bei der Reportageschule zu bewerben. Allerdings möchten wir dein journalistisches Talent erkennen, dein Gespür für Themen, deinen Ehrgeiz, die beste Story zu erzählen. Wir möchten sehen, dass du Sprachgefühl hast, dass du neugierig, empathisch, energisch bist. Dann möchten wir dich kennenlernen“, schreibt die Schule. Bewerbungen können noch bis zum 1. Oktober eingereicht werden.
 
Noch zwei Plätze frei sind bei einer Pressereise der Wissenschafts-Pressekonferenz (WPK) von Hamburg über Rostock, Leipzig und Hannover zum Thema „Phosphor – und die Zukunft der Landwirtschaft“ vom 24. bis 27. September: Welternährung, Kreislaufwirtschaft und Überdüngung – das sind Begriffe, die wir im September bei einer 4-tägigen WPK-Reise beleuchten wollen und zwar rund um das Thema Phosphor, ein Element, das alle Organismen zum Leben brauchen. Vor allem aber sind Phosphate so etwas wie der Treibstoff für die moderne Landwirtschaft.“ Wer sich dafür interessiert, melde sich hier.
 
Ausschreibungen und Preise
Bewerben kann man sich ab sofort wieder für den Reporterpreis. Der seine Konsequenzen aus dem Fall Relotius gezogen und einige Neuerungen eingeführt hat, etwa dass die Jury Protagonisten aus eingereichten Reportagen zur Überprüfung kontaktieren kann; außerdem werden die Siegertexte von Dokumentaren überprüft. Für welche Kategorien man sich bis zum 1. Oktober bewerben oder Beiträge vorschlagen kann, hier wird man fündig.
 
Ausgeschrieben ist auch der „Medienpreis Parlament 2020“: „Der Deutsche Bundestag würdigt mit dem Medienpreis Parlament herausragende publizistische Arbeiten, die zu einem vertieften Verständnis parlamentarischer Praxis beitragen und zur Beschäftigung mit Fragen des Parlamentarismus anregen. Die Auszeichnung ist mit 5.000 Euro dotiert und wird vom Präsidenten des Deutschen Bundestages im Frühjahr 2020 verliehen.“ Die Ausschreibungsbedingungen finden sich hier.
 
In Nordrhein-Westfalen sind für die dortigen zehn Kulturregionen des Landes deutschsprachige Autorinnen und Autoren eingeladen, sich im Rahmen des Residenzprojekts „stadt.land.text NRW 2020“ als Regionsschreiber*in zu bewerben: „Nach dem erfolgreichen Start von stadt.land.text NRW in 2017 soll das Residenzprogramm für Textkünstler*innen jeder Tonart zukünftig biennal fortgesetzt werden. 2020 liegt die Programmleitung bei der Kulturregion Niederrhein.
In Anlehnung an die mittelalterliche Position des Stadtschreibers als amtlicher Protokollführer sollen die 10 Regionsschreiber*innen über einen Zeitraum von 4 Monaten in einer der 10 Kulturregionen NRWs – Aachen, Bergisches Land, Hellweg, Münsterland, Niederrhein, Ostwestfalen-Lippe, Ruhrgebiet, Rheinschiene, Sauerland und Südwestfalen – unterwegs sein und ihre Eindrücke zum Alltag der jeweils gastgebenden Kulturregion in einem Blog, ggf. Podcast, bei Lesungen und anderen, spartenübergreifenden Veranstaltungen an verschiedenen Orten der Kulturregionen präsentieren. Das Projektstipendium (Werkvertrag) wird vergeben, damit die Schreiber*innen ihre Gastgeberregion mit literarischen Mitteln erforschen (inkl. illustrierendem Foto-, Audio- und/oder Videomaterial) und in einen Dialog mit der Öffentlichkeit treten. Der Fokus des Projekts liegt dabei nicht nur auf den urbanen Zentren. Vielmehr ist die Erkundung der ländlich geprägten Gegenden ausdrücklich erwünscht.“ Geboten wird im Gegenzug ein monatliches Honorar von 1.800 Euro plus KSK-Abgaben; eine Wohnung und ein Arbeitsplatz werden gestellt, Fahrtkosten werden übernommen. Hier erfährt man einiges über den ersten Projektdurchlauf 2017. Für 2020 kann man sich hier bewerben. Bewerbungsschluss ist der 15. Oktober.
 
Weit hinaus in die Welt führt das „Grenzgängerprogramm“, durchgeführt und unterstützt wie finanziert von der Robert Bosch Stiftung und dem Literarischen Kolloquium Berlin: „Unterstützt werden Recherchen für deutschsprachige Veröffentlichungen in Ländern Afrikas, Asiens und Europas. Außerdem haben Autoren, Filmemacher und Fotografen (m/w/d) aus China, Indien, Indonesien, Japan und Vietnam die Möglichkeit, Förderungen für Recherchen in Deutschland zu erhalten.“
 
So, das war’s schon wieder. Aber eines haben wir noch – ein schönes Lesestück von Jochen Schmidt. Der ist zwar Schriftsteller, aber erst wollte er Journalist werden und viele Journalist*innen wollen ja später Schriftsteller*innen werden, von daher passt es wieder. Jedenfalls – sehr lustig, wie er erzählt, wie das ist, wenn man immer arbeitet und also alles Arbeit ist und alles von der Steuer abgesetzt werden muss, auch das Schlafzimmer ist ein Arbeitszimmer, was Frau Grunft vom Finanzamt nicht so recht verstehen wollte, und also kam Frau Grunft eines Tages einfach mal beim immer arbeitenden und nie Freizeit habenden Herrn Schmidt vorbei, der noch Blumen hat, die aus der DDR stammen, und ihre Schuhe musste Frau Grunft auch nicht ausziehen …
 
In diesem Sinne
kommen Sie gut durch die Woche
Ihre Freischreiber*innen