vom 27T09:40:11+00:00.08.2019
27. August 2019
Selbstkritik in der Medienbranche? Ach, nö…
Liebe Freischreiber*innen, liebe Kolleg*innen und liebe Freund*innen von Freischreiber,
dieser Newsletter wird spätsommerlich kurz. Die mediale Aufregung um den Youtuber Rezo teilen wir nicht. Aber wir finden seine Frage sehr interessant, warum es in unserer Branche so wenig Selbstkritik gibt. Im März dieses Jahres hat der Medienjournalist Matthias Dell auch schon darüber nachgedacht. In einem Beitrag für den Deutschlandfunk setzte er sich mit dem Begriff „Kollegenschelte“ auseinander: „Wenn alle Kollegen plötzlich Familie sind“, schrieb er, „dann stimmt irgendetwas nicht. Dann hat man Angst oder ist eitel oder ignorant oder was weiß ich. Man hat jedenfalls weder Lust auf Kritik. Noch auf Öffentlichkeit. Das allerdings ist für den Journalismus und seine populäre Rolle als vierte Gewalt keine gute Voraussetzung.“ Dell fand für unser Dilemma elegante Worte: „Sagen wir es so: Die große Ära der Medienkritik steht immer noch unmittelbar bevor.“
Deshalb freuen wir uns, wenn jemand diese Ära schon mal einläutet. So hat der Medienjournalist Daniel Bouhs in einem taz-Beitrag über die Fehlerkultur bei der dpa berichtet, anlässlich des 70. Geburtstags der Nachrichtenagentur. Und die Kolleg*innen von Netzwerk Recherche fordern in ihrem Juli-Newsletter eine klare Grenzziehung zwischen seriösen Kolleg*innen und Leuten, die Interviews erfinden oder als rechtslastige Blogger*innen gegen Andersdenkende hetzen:
„Und was tun wir, die wir uns für seriösen Journalismus engagieren? Wir reden und diskutieren auf Tagungen (…) über schwierige Recherchen, über besseres Schreiben, über den Umgang mit Fehlern, über Transparenz, über ethische Fragen, über Persönlichkeitsrechte – und vieles mehr. (…) Aber (…) ist das genug? Sollten wir stattdessen nicht immer wieder auch sehr klar sagen, dass es Journalisten gibt, die sich zwar so nennen – mit denen wir aber nichts zu tun haben wollen? Dass wir sie nicht als Kollegen betrachten wollen? Ja, wir sollten das tun! Wo und wann immer es geht!!!“
Freischreiberiges
Was ist noch oller als eine Mitgliederversammlung? Genau: ein Betriebsausflug. Just einen solchen veranstalten wir am 9. November für die Mitglieder von Freischreiber und alle, die es bis dahin noch werden wollen. Aber da wir ja Freischreiber sind, wird die Sache alles andere als dröge. Wir boxen mit Trainer Torben, machen eine Butterfahrt zur Hölle und in den Himmel, wählen einen neuen Vorstand, und kegeln gehen wir auch. Weitere Infos folgen in Kürze.
Daher erinnern wir noch einmal an unseren Aufruf: Melden Sie uns Ihre Anwärter für den Himmel- und Höllepreis 2019. Sie wissen ja, wir suchen alljährlich die fairsten und die fiesesten Redaktionen, Verlage, Sender. Ihr Lob oder Ihre Kritik sollten jedoch Hand und Fuß haben, also beleg- oder beweisbar sein. Infos an kontakt@freischreiber.de.
Tagungen, Reisen und Preise
An der Hochschule Ansbach findet am 22. November 2019 eine Tagung statt zum Thema: Journalismus – Zukunft durch Qualität. Es geht vor allem um den Umbruch in der Medienlandschaft und um Fragen wie diese: „Wird unabhängige Information eine Chance haben gegen die schiere Übermacht professionell erstellter, aber interessengeleiteter Information – und Desinformation?“ Die Tagung ist kostenlos und richtet sich an Journalist*innen, an Vertreter*innen aus Politik und Gesellschaft, Forscher*innen und Lehrende und nicht zuletzt an Studierende des Journalismus und der Kommunikationswissenschaft. Nähere Infos hier.
Last call: Das Netzwerk Recherche (NR) bittet um Mithilfe, es geht um die Tagung zum Thema: „Jetzt mal ehrlich! Was Journalismus aus den Täuschungsfällen lernen muss“ (29./30. November in Tutzing). NR will herausfinden, wie sich nach der Relotius-Affäre das Verhältnis von Redaktionen zu ihren Autor*innen verändert hat, besonders zu den Freien. Wer von seinen Erfahrungen berichten möchte, schreibt bitte bis zum 28. August 2019 an info@netzwerkrecherche.de.
Schnell entschlossene Nachwuchsjournalist*innen können sich noch anmelden: Die Deutsche Gesellschaft e. V bietet im Herbst 2019 kostenfreie Recherchereisen nach Armenien, Georgien und in die Republik Moldau an. Die Projekte werden durch das Auswärtige Amt gefördert. Bewerbungsschluss ist der 1. September 2019. Bei den Austauschreisen geht es um die europäische Nachbarschaftspolitik, die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem jeweiligen Partnerland sowie um den Umgang mit Fake News.
Mitmachen und Ärmel hochkrempeln: Jetzt :Freischreiberin (oder :Fördermitglied) werden!
Noch etwas mehr als zwei Wochen noch bis zur Konferenz #SciCAR19 – where science meets computer assisted reporting- (09.-11. September in Dortmund). Restplätze sind noch verfügbar. Also noch schnell kostenlos anmelden: http://www.scicar.de
Der Netzwende-Award prämiert nachhaltige Innovationen im Journalismus – in Form von Start-ups oder Projekten (keine journalistischen Beiträge). Den Preis in Höhe von 10.000 Euro verleiht eine Kooperation aus dem Medien-Thinktank VOCER, der August-Schwingenstein-Stiftung, der Rudolf-Augstein-Stiftung und der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. In der Ausschreibung heißt es: „Wir wünschen uns ein radikales Umdenken über den Wert von verlässlichen Informationen und unabhängigen Vertriebswegen im Netz und hoffen auf neue Impulse in der digitalen Publizistik – eine #Netzwende. Alle, die mehr wollen als ein ,Weiter so‘ und alle, die für ein Umdenken konkrete Projekte auf den Weg gebracht haben, sind eingeladen, Nominierungen für den #Netzwende-Preis einzureichen oder sich selbst zu bewerben!“ Bewerbungsschluss für Eigenbewerbungen und Vorschläge: 1. Oktober 2019. Übrigens: Preisträger des #NETZWENDE-Award 2018 war das Projekt MedWatch der beiden Freischreiber Hinnerk Feldwisch-Drentrup und Nicola Kuhrt.
Der Memento Medienpreis für vernachlässigte Krankheiten schreibt ein Recherchestipendium in Höhe von 3000 Euro aus: „Sie sind Journalistin oder Journalist und möchten ein Thema recherchieren und realisieren, das die vernachlässigten Gesundheitsbedürfnisse von Menschen in ärmeren Ländern betrifft? Sie möchten über Menschen berichten, deren Gesundheitsversorgung aus dem Fokus der Medizin, der Pharmaindustrie, der Berichterstattung oder der globalen Entscheiderinnen und Entscheider gerückt ist? Sie haben dazu eine innovative, interaktive, investigative – in jedem Fall aber außergewöhnliche Idee zur Umsetzung? Dann bewerben Sie sich, allein oder im Team.“ Schreiben Sie bis zum 24. Oktober 2019 eine Mail mit einer kurzen Beschreibung Ihrer Idee an Bewerbung@memento-preis.de.
Das war es wieder von uns. Verpassen Sie nicht die Butterfahrt und bleiben Sie uns gewogen!
Ihre Freischreiber*innen